Zöl­le und Stag­fla­ti­on

Der Finanz­markt scheint lang­sam unru­hig zu wer­den. Die in Deutsch­land vom Bun­des­tag beschlos­se­ne deut­li­che Aus­wei­tung der Staats­ver­schul­dung (laut Stu­di­en könn­te sich die Bun­des­schuld von 1,7 Bil­lio­nen Euro ver­dop­peln) führ­te bereits im Vor­feld zu deut­li­chen Zins­stei­ge­run­gen. Auch die Infla­ti­on könn­te deut­lich län­ger hoch blei­ben. Zuneh­men­de Han­dels­hemm­nis­se und Zöl­le und eine Staats­ver­schul­dung über 120% des BIP in den USA haben die Nach­rich­ten der letz­ten Wochen bestimmt.

Dazu kom­men Unsi­cher­hei­ten bezüg­lich der äuße­ren Sicher­heit in Euro­pa und dar­über hin­aus. Die Ergeb­nis­se die­ser Ent­wick­lun­gen kann jeder an den Kapi­tal­märk­ten in Form von höhe­ren Kurs­schwan­kun­gen und Kurs­rück­gän­gen able­sen. Ins­be­son­de­re ame­ri­ka­ni­sche Tech-Kon­zer­ne, die Garan­ten des Auf­schwungs der letz­ten Jah­re, haben mas­siv kor­ri­giert. Ist dies viel­leicht der Beginn einer Kor­rek­tur am Akti­en­markt?

Sorgen wegen Zöllen

Das Gere­de über Zöl­le weckt bei man­chen Anle­gern Sor­gen vor einer Stag­fla­ti­on, also einer Kom­bi­na­ti­on aus stei­gen­der Infla­ti­on und Rezes­si­on. Die Fra­ge ist: Soll­ten sie des­we­gen ihr Port­fo­lio neu aus­rich­ten?

Dazu Wes Crill, PhD Seni­or Cli­ent Solu­ti­ons Direc­tor and Vice Pre­si­dent, Dimen­sio­nal Fund Advi­sors

Seit 1930 fie­len nega­ti­ve Wachs­tums­ra­ten in den USA in genau 12 Jah­ren mit einem Anstieg des Ver­brau­cher­preis­in­dex zusam­men, und in neun von zwölf die­ser Jah­re war­fen US-Akti­en posi­ti­ve Real­ren­di­ten, also infla­ti­ons­be­rei­nig­te Ren­di­ten, ab. Damit unter­schei­den sich die Stag­fla­ti­ons­jah­re in den USA kaum von allen ande­ren Jah­ren von 1930 bis 2024, von denen 68% mit posi­ti­ven Real­ren­di­ten ende­ten.

Die­ses Bei­spiel zeigt erneut, dass Kon­junk­tur­ängs­te kei­ne gute Grund­la­ge für Port­fo­li­oent­schei­dun­gen sind. Kon­junk­tur­vor­her­sa­gen ändern sich stän­dig, und die bes­ten Zukunfts­pro­gno­sen erstellt immer noch der Markt. War­um? Weil die Märk­te Kur­se so fest­le­gen, dass Anle­ger eine posi­ti­ve Ren­di­te erwar­ten kön­nen – auch bei schwa­chen Kon­junk­tur­aus­sich­ten.

Inflation, BIP-Wachstum und reale Renditen

Genau wie bei einer Ach­ter­bahn­fahrt gibt es in der Geld­an­la­ge Höhen und Tie­fen. In einem Moment stei­gen die Kur­se, im nächs­ten Moment ver­ur­sa­chen Kurs­rück­gän­ge ein flau­es Gefühl im Magen.

Wenn die Kur­se ein­bre­chen – oder in den Schlag­zei­len über einen sol­chen Ein­bruch spe­ku­liert wird –, dann ist die Ver­su­chung groß, ein­fach „ aus­zu­stei­gen“ und so (wei­te­re) Ver­lus­te zu ver­mei­den.

Für Ach­ter­bahn­fah­rer gilt: „Anschnal­len und sit­zen blei­ben“. Und Anle­ger sind womög­lich gut bera­ten, das­sel­be zu tun. Wer ver­sucht, die schlech­tes­ten Tage durch Markt-Timing zu ver­mei­den, ver­passt am Ende womög­lich die bes­ten Han­dels­ta­ge (Abbil­dung 2).

Ein Bei­spiel ver­deut­licht, war­um „Kurs­hal­ten“ so wich­tig ist: Hät­te ein Anle­ger im Jahr 1990 1.000 US-Dol­lar in den S&P 500 Index inves­tiert und nicht ange­rührt, dann wären dar­aus bis Ende 2023 27.221 US-Dol­lar gewor­den.

Hät­te der­sel­be Anle­ger dage­gen sein Geld abge­zo­gen und den bes­ten Han­dels­tag inner­halb von mehr als 30 Jah­ren ver­passt, dann wäre sein Ver­mö­gen am Ende fast 3.000 US-Dol­lar klei­ner gewe­sen. Und hät­te er nicht einen, son­dern sogar die fünf bes­ten Han­dels­ta­ge ver­passt, hät­te er auf mehr als 10.000 US-Dol­lar ver­zich­ten müs­sen.

Nur weni­ge Tage kön­nen im Lau­fe der Jahr­zehn­te einen rie­si­gen Unter­schied aus­ma­chen.

Wertentwicklung des S&P 500 Index

Wel­che Stra­te­gien sind für Anle­ger sinn­voll?

Diver­si­fi­ka­ti­on bleibt das A und O

Eine brei­te Streu­ung über ver­schie­de­ne Regio­nen und Bran­chen ist wei­ter­hin essen­zi­ell. Neben den klas­si­schen Akti­en­märk­ten könn­ten auch alter­na­ti­ve Invest­ments wie Pri­va­te Equi­ty, Infra­struk­tur­pro­jek­te o. nach­hal­ti­ge Fonds an Bedeu­tung gewin­nen.

Tech­no­lo­gie als lang­fris­ti­ger Wachs­tums­sek­tor

Wer von der KI-Revo­lu­ti­on pro­fi­tie­ren möch­te, soll­te gezielt in inno­va­ti­ve Unter­neh­men inves­tie­ren. Neben eta­blier­ten Tech-Gigan­ten wie NVIDIA oder Micro­soft könn­ten spe­zia­li­sier­te Unter­neh­men in den Berei­chen Quan­ten­com­pu­ting, Robo­tik und auto­no­mes Fah­ren lang­fris­tig attrak­ti­ve Chan­cen bie­ten.

Anlei­hen als Absi­che­rung

Trotz der schwa­chen Per­for­mance 2024 könn­ten Anlei­hen wie­der attrak­ti­ver wer­den, ins­be­son­de­re, wenn die Zin­sen wei­ter sin­ken. Unter­neh­mens­an­lei­hen mit soli­der Boni­tät, infla­ti­ons­ge­schütz­te Anlei­hen oder Staats­an­lei­hen aus Schwel­len­län­dern könn­ten inter­es­san­te Ergän­zun­gen für ein breit auf­ge­stell­tes Port­fo­lio sein.

Vor­sicht vor Über­be­wer­tun­gen

Anle­ger soll­ten ver­stärkt auf fun­da­men­ta­le Kenn­zah­len ach­ten, um nicht in über­be­wer­te­te Titel zu inves­tie­ren. Eine Value-Stra­te­gie, die sich auf unter­be­wer­te­te Qua­li­täts­ak­ti­en kon­zen­triert, könn­te hier einen sinn­vol­len Ansatz bie­ten.

Nach­hal­ti­ge Invest­ments im Fokus

Der Trend zu ESG-Invest­ments (Envi­ron­men­tal, Social, Gover­nan­ce) setzt sich fort. Unter­neh­men, die auf nach­hal­ti­ge Geschäfts­mo­del­le set­zen, könn­ten von neu­en regu­la­to­ri­schen Vor­ga­ben pro­fi­tie­ren. Vor allem erneu­er­ba­re Ener­gien, Was­ser­stoff-Tech­no­lo­gien und nach­hal­ti­ge Infra­struk­tur­pro­jek­te bie­ten lang­fris­ti­ge Chan­cen.

Edel­me­tal­le als Absi­che­rung gegen Unsi­cher­hei­ten

In Zei­ten geo­po­li­ti­scher Span­nun­gen oder wirt­schaft­li­cher Unsi­cher­hei­ten gel­ten Gold und Sil­ber als wert­sta­bi­le Alter­na­ti­ven. Gold hat ein neu­es All­zeit­hoch erreicht und ver­weilt wei­ter­hin auf hohem Niveau. Auch Indus­trie­me­tal­le wie Kup­fer, Lithi­um oder Sel­te­ne Erden spie­len in der Trans­for­ma­ti­on der Wirt­schaft eine ent­schei­den­de Rol­le.

Fle­xi­bi­li­tät bewah­ren: ein welt­weit diver­si­fi­zier­tes Port­fo­lio bleibt die ers­te Wahl!

Poli­ti­sche und wirt­schaft­li­che Ent­wick­lun­gen sind schwer vor­her­zu­sa­gen. Ein stra­te­gi­scher Mix aus Wachs­tums- und Sub­stanz­wer­ten kann hel­fen, Risi­ken zu mini­mie­ren.

Wachstum im MSCI World Index

Einen Schritt zurück­zu­tre­ten kann hel­fen, die aktu­el­le Situa­ti­on ein­zu­ord­nen und Ängs­te abzu­bau­en. Im Lau­fe der Jahr­zehn­te und selbst in Zei­ten beun­ru­hi­gen­der Welt­ereig­nis­se haben sich die Märk­te ten­den­zi­ell immer in eine Rich­tung bewegt: nach oben. Lang­fris­ti­ge Anle­ger wur­den so für ihre Dis­zi­plin belohnt (Abbil­dung 3). Trotz beun­ru­hi­gen­der Schlag­zei­len und vor­über­ge­hen­der Ver­lus­te kann man daher womög­lich bes­se­re Anla­ge­er­geb­nis­se erzie­len, wenn man – wie in der Ach­ter­bahn – ein­fach sit­zen bleibt.


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